Auftaktveranstaltung am Erinnerungsort Alter Schlachthof: Der Düsseldorfer Majdanek-Prozess, die deutsche Justiz und die NS-Verbrechen (20.09.2018)

01 Oberstaatsanwalt Falk Schnabel eröffnet die VeranstaltungVor über 40 Jahren standen Angehörige des Wachpersonals des KZ Majdanek vor dem Düsseldorfer Landgericht. Es war einer der größten NS-Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik. Über 80.000 Menschen, darunter 60.000 Juden waren in diesem Lager von der SS ermordet worden. Auf Initiative der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft haben sich nun mehrere Einrichtungen in der Stadt zusammengeschlossen und in der Zeit vom 20.9. bis 4.10.2018 eine Veranstaltungsreihe organisiert: die Mahn- und Gedenkstätte, die Jüdische Gemeinde Düsseldorf, das Black Box-Kino im Filmmuseum Düsseldorf und der Erinnerungsort Alter Schlachthof der Hochschule Düsseldorf. Die Reihe erinnert an diesen in der Stadtgesellschaft kaum noch bekannten, denkwürdigen Prozess.

Auftaktveranstaltung am Erinnerungsort Alter Schlachthof

Die Auftaktveranstaltung fand am 20.9.2018 vor über 120 Besucher*innen am Erinnerungsort Alter Schlachthof statt, in der Bibliothek der Hochschule Düsseldorf. „Wo könnte eindrucksvoller an die Verbrechen, die im KZ Majdanek begangen wurden, erinnert werden, als an diesem Ort hier?“, fragte Prof. Dr. Brigitte Grass, Präsidentin  der Hochschule Düsseldorf, in ihrer Begrüßungsrede. „Von hier aus wurden Menschen in die Ghettos und KZ-Lager verschleppt – darunter auch in den Distrikt Lublin.“ Möglicherweise seien einige von ihnen später in das KZ Majdanek gekommen und dann Opfer derjenigen SS-Leute geworden, die ab 1975 endlich vor dem Landgericht in Düsseldorf standen (im ehemaligen Gebäude des Landgerichts befindet sich heute ein Hotel, das für öffentliche Veranstaltungen dieser Art nicht verwendet werden kann). Jens Biesenbach, Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, lobte in seiner Ansprache ausdrücklich die von der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft und ihrem Leitenden Oberstaatsanwalt Falk Schnabel initiierte Veranstaltungsreihe und verwies auf die Bedeutung der Erinnerungskultur in unserem Land, deren Pflege angesichts der aktuellen politischen Entwicklung notwendiger sei denn je.

Der Majdanek-Prozess, der sich jahrelang hinzog, war immer wieder Anlass für Proteste aus der Stadtgesellschaft: gegen die Unverschämtheiten der Verteidiger der Angeklagten, gegen das Desinteresse der Mehrheitsgesellschaft, gegen die milden Urteile, betonte Dr. Joachim Schröder, der Präsidiumsbeauftragte für den Erinnerungsort Alter Schlachthof. Er sorgte für eine Zäsur in der Erinnerungskultur der Stadt Düsseldorf. Zugleich sei er ein Symbol gewesen: für die verspätete und größtenteils gescheiterte Aufarbeitung der NS-Verbrechen durch die deutsche Justiz – und für das große Problem der personellen Kontinuitäten nach 1945.

Das KZ Lublin-Majdanek

Im ersten Fachvortrag beleuchtete Dr. Markus Roth (Universität Gießen) die Geschichte des KZ Majdanek, das 1940 von den deutschen Besatzern errichtet wurde. Über 200.000 Menschen wurden hier eingepfercht, unter katastrophalen Bedingungen, schikaniert von brutalen und oftmals sadistischen SS-Wachmannschaften. Eingesperrt und ermordet wurden vor allem jüdische wie nichtjüdische Polen sowie tausende sowjetische Kriegsgefangene. Die größte Opfergruppe waren die jüdischen Gefangenen, die auch in Majdanek Opfer der von den Nazis so bezeichneten „Endlösung“ wurden. Im Zuge der „Aktion Erntefest“, am 3. November 1943, ermordeten Polizei und SS-Angehörige allein in Majdanek 18.000 Menschen.

Majdanek und die deutsche Justiz

Im anschließenden Vortrag über „Die Nachkriegsjustiz und der Majdanek-Prozess“ skizzierte Prof. Dr. Ingo Müller (Berlin), Verfasser des 1987 bahnbrechenden Standardwerkes „Furchtbare Juristen“, schlaglichtartig die Etappen der juristischen Ahndung der NS-Verbrechen in der Bundesrepublik Deutschland. Als wesentliche Probleme identifizierte Müller hierbei einen von Beginn an fehlenden politischen Willen, NS-Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen, eine i.d.R. NS-belastete Richterschaft, die oft milde Urteil gewährte und schließlich die fragwürdige  „Gehilfen“-Rechtsprechung. Wer im Vernichtungsprozess „nur“ Befehle ausgeführt hatte, ging straffrei aus. Die Richter des Majdanek-Prozesses mühten sich, die individuelle Schuld nachzuweisen, was selbst mit Hilfe der über 300 aus dem Ausland angereisten Zeugen nicht immer gelang. Hanebüchene Befangenheitsanträge seitens offen rechtsradikaler Täter-Anwälte, Anschuldigungen gegenüber Holocaust-Überlebenden, Verfahrenseinstellungen und z.T. milde Urteile erregten immer wieder die Öffentlichkeit.

In den kommenden Tagen werden einzelne Aspekte des Majdanek-Prozesses in verschiedenen Einrichtungen thematisiert. Das vollständige Programm finden Sie hier zum Download.


01 Oberstaatsanwalt Falk Schnabel eröffnet die Veranstaltung

Oberstaatsanwalt Falk Schnabel eröffnet die Veranstaltung

 

02 HSD Präsidentin Prof. Dr. Brigitte Grass bei ihrer Begrüßungsansprache

HSD Präsidentin Prof. Dr. Brigitte Grass bei ihrer Begrüßungsansprache

 

03 Peter Biesenbach

Peter Biesenbach, Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, bei seiner Begrüßungsansprache

 

04 Markus Roth

Dr. Markus Roth, stellvertretender Leiter und Geschäftsführer der Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der Universität Gießen

 

05 Ingo Müller

Prof. em. Dr. Ingo Müller – Verfasser des Buches „Furchtbare Juristen“ (1987)

 

06 Gruppenfoto

Die Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Kooperationspartner und die Referenten (v.l.n.r.): Michael Szentei Heise (Jüdische Gemeinde Düsseldorf), Dr. Bastian Fleermann (Mahn- und Gedenkstätte), Dr. Joachim Schröder (Erinnerungsort Alter Schlachthof), Prof. Dr. Ingo Müller, Falk Schnabel (Staatsanwaltschaft Düsseldorf), Andrea Ditchen (Mahn- und Gedenkstätte), Dr. Markus Roth.

 

 

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