Tag des offenen Denkmals 2018

01 mobiles Museum-001Das abwechslungsreiche Veranstaltungsprogramm bot einen Einblick in neue und spannende Projekte rund um den Erinnerungsort. Bei den stündlich angebotenen Führungen oder auch in Eigenregie informierten sich die BesucherInnen über die denkwürdige Geschichte dieses Ortes, über Lebens- und Familiengeschichten, die in der Dauerausstellung und im digitalen Archiv präsentiert werden. MitarbeiterInnen der Hochschulbibliothek führten Interessierte durch das denkmalgeschützte Gebäude und erläuterten die architektonischen Besonderheiten.

Mit der interaktiven website „Judenhäuser in Düsseldorf“ stellten Mimona Effenberger, Stephanie Veenstra und Anna Carls, drei Studentinnen aus dem Projektseminar „Spurensuche - Nachbarschaft, Vertreibung, Erinnerung“ am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der HSD, die Ergebnisse ihrer Recherchen vor. Die Studierenden hatten unter Anleitung von Alexander Flohé und Dr. Joachim Schröder nach sogenannten „Judenhäusern“ in Düsseldorf geforscht und dazu Information zusammengetragen.

Ab 1938/39 hatte die Gestapo jüdische Menschen in diese Ghettohäuser zwangseingewiesen, wo sie auf engstem Raum leben mussten, bevor sie deportiert wurden. Die Geschichte der „Judenhäuser“ im gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf ist bisher kaum erforscht, weshalb ihre genaue Zahl unbekannt ist. Dies war auch der Anlass zu dieser ersten ausführlicheren Beschäftigung mit dem Thema. Anhand bis dahin zugänglicher Quellen (Adressbücher, Deportationslisten, Akte des städtischen Fürsorgeamtes) ließen sich über 20 mutmaßliche „Judenhäuser“ im Stadtgebiet identifizieren, von denen sieben genauer untersucht wurden. Die Website der Studierenden ist inzwischen online. Das Projekt soll weitergeführt und regional ausgeweitet werden. Die Website ist ein Prototyp.

Im Untergeschoss der Hochschulbibliothek präsentierten Prof. Herder und Studierende des FB Medien „Anti Monument Experimente“ – Mixed Reality Videos, die gemeinsam mit dem japanischen Künstler Shinpei Takeda enstanden sind. Zu sehen war auch die eindrucksvolle virtuelle, immersive Installation „Erinnerungsort Alter Schlachthof“.

Höhepunkt des Tages war der Vortrag des Holocaust-Überlebenden Dr. Thomas Gabelin aus Krefeld. Vor über 120 ZuhörerInnen erzählte er seine Familiengeschichte, die eng mit dem Alten Schlachthof verbunden ist. Lore Gabelin, seine Mutter, war im 6. Monat mit Thomas schwanger, als sie im September 1944 zusammen mit ihrem Mann, ihrer Mutter und ihrer Schwester Ilse die Nacht vor ihrer Deportation in der Großviehhalle des Schlachthofs verbringen musste.

Eingeleitet wurde der Vortrag mit einem tief berührenden Filmausschnitt aus dem Jahre 2009, in dem Ilse Kassel, die Tante von Thomas Gabelin, durch die zerfallende ehemalige Großviehhalle geht und sich an die Geschehnisse an diesem Ort vom 17. auf den 18. September 1944 erinnert. Die Aufnahmen stammen vom Dokumentarfilmer Klaus Martens, der Ilse Kassel für den Film „Erzähl es niemandem!“ nach dem Buch von Randi Crott interviewt hatte. Sichtlich ergriffen von den Erzählungen seiner Tante, erzählte Herr Gabelin von der Ausgrenzung und der Verfolgung seiner Familie, von der 65 Mitglieder den Holocaust nicht überlebt haben.

Seine Mutter Lore war katholisch getauft und galt nach den Nürnberger Gesetzen als „Mischling ersten Grades“. 1942 heiratete sie den ebenfalls aus einer katholisch-jüdischen „Mischehe“ stammenden Werner Gabelin. Da beide vom Krefelder Standesbeamten als 'Mischling 1. Grades' eingestuft wurden, fand das junge Paar nur mit Mühe eine Wohnung und Werner nur Hilfsarbeiterjobs. Thomas älterer Bruder Richard wurde am 26. September 1942 geboren. Als seine Eltern 1943 als ‚Juden‘ eingestuft wurden, drohte ihnen die Deportation.

Am 17. September 1944 wurden Lore und Werner Gabelin zusammen mit den anderen noch in Krefeld verbliebenen Juden, vorwiegend Partner aus 'Mischehen', sowie 'Halbjuden' von der Polizei festgenommen und zu einem Sammelplatz gebracht. Da der zweijährige Richard nicht auf der Liste stand, bat Lore darum, ihn trotzdem mitnehmen zu dürfen. Dies wurde ihr abgeschlagen und ihr Vater nahm den Jungen wieder mit nach Hause. Thomas Gabelin wurde am 21. Dezember 1944 im KZ Theresienstadt geboren und überlebte trotz furchtbarer Bedingungen. Am 20. August 1945 konnten die Eheleute und ihr kleiner Sohn nach Krefeld zurückkehren, wo der inzwischen fast dreijährige Richard seine Eltern nicht mehr erkannte. Lore und Werner wollten nach dem Krieg in die USA auswandern, doch sie erhielten kein Visum, weil Werner Mitglied in der KPD und der VVN war, so blieben sie in Krefeld.

Beim anschließenden Gespräch unter Leitung von Dr. Joachim Schröder berichtete Thomas Gabelin, dass er sich bei den Child Survivors Deutschland, den überlebenden Kindern der Shoah, engagiert und dass ihm der aktuelle Antisemitismus und der Rechtsruck große Sorgen bereitet.  

Zum Abschluss des Programms lud Alexander Stockhaus vom AStA der Hochschule Düsseldorf alle Interessierten zu einem Konzert der Band „Die Grenzgänger“ aus Bremen ein, die bewegende wie kämpferische Lieder aus ihrem Programm „Und weil der Mensch ein Mensch ist“ präsentierten.



Abbildungen

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Adelheid Schmitz, Erinnerungsort Alter Schlachthof, und BesucherInnen vor dem "Gedächtnis auf Rädern" - ein Projekt der Künstlerin Ulrike Oeter, das in der Bildungsarbeit des Erinnerungsortes Verwendung findet.

 

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Die Projektgruppe aus dem Seminar "Nachbarn", die die interaktive Website "Judenhäuser in Düsseldorf" erstellt hat.

 

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Prof. Jens Herder (2. v.l.) erläutert die "Anti Monument Experimente - Mixed Reality Videos", ein gemeinsames Projekt mit dem japanischen Künstler Shinpei Takeda.

 

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Studierende des FB Medien erklären einem Besucher die "virtuelle, immersive Installation"

 

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Dr. Thomas Gabelin aus Krefeld, geboren im KZ Theresienstadt, erzählt die Geschichte seiner Familie. 64 Mitglieder seiner Familie haben den Holocaust nicht überlebt.

 

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Thomas Gabelin im Gespräch mit Joachim Schröder, Präsidiumsbeauftragter für den Erinnerungsort Alter Schlachthof

 

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Im Konzert: "Die Grenzgänger" mit starken, antifaschistischen Liedern.

alle Fotos (c) HSD